Landrat Steve Kanitz
Liebe Bürgerinnen und Bürger im Altmarkkreis Salzwedel,
auf das vergehende Jahr zurückzuschauen, fällt mir und sicher auch vielen von Ihnen nicht wirklich leicht. Zuviel ist geschehen, das uns aus unseren unterschiedlichen Perspektiven mal überrascht oder entsetzt hat, nachdenklich stimmte oder innerlich bewegte, erfreute oder ärgerte. Mir wird 2024 als ein Jahr in Erinnerung bleiben, in dem besonders die Basis einer Demokratie, die Bevölkerung unseres Landes, vieles aushalten musste und es sich zeigte, dass wir als Gesellschaft nicht mehr so resilient – also zum Widerspruch fähig – sind, wie das noch vor 10 Jahren war. Dabei ist es gerade für Gesellschaften mit freiheitlicher Grundordnung von entscheidender Bedeutung, dass sie Widersprüche erkennt, thematisiert und auch aushält. Stattdessen erleben wir zunehmend das Phänomen, dass Meinungen mit Wahrheiten verwechselt werden und schlimmer noch: Oft wird die eigene Meinung als die eine Wahrheit angenommen. Dabei war Meinung noch nie Wahrheit.
In einem solchen Spannungsfeld haben wir eine Europawahl, eine Kommunalwahl und drei Landtagswahlen erlebt. Mir steht eine Bewertung dieser Wahlen als Ihr Landrat nicht zu. Auch nicht des Endes der Ampel-Koalition. Was mir zunehmend Sorgen bereitet, ist ein Prozess, der unser aller Aufmerksamkeit mehr verdient hat, als das unter dem medialen Feuerwerk und der unsäglichen Blasenbildung in sozialen Medien aufgrund toxischer Algorithmen der Fall ist. Die Unterfinanzierung der Kommunen. Es ist dringendstes Gebot der Zukunft, dass besonders Bundes- und Landespolitik verstehen, dass die Basis der Demokratie auch in der Basis des Landes lebt – in Gemeinden und Städten und damit in den Regionen und Kreisen. Wie gut es sich in einem Land leben lässt, entscheiden die Menschen beim Schritt vor die Haustür. Fährt ein Bus? Gibt es eine Bibliothek? Wie weit ist das nächste Freibad? Gibt es erreichbare Kitas und Schulen? Komme ich auf guten und sicheren Wegen und Straßen von A nach B? Gibt es Perspektiven für ein gutes Leben in meinem Umfeld? Habe ich Aussicht auf Ausbildung und Beschäftigung? Diese Fragen mit einem Ja zu beantworten, ist Vorrecht der Bürgerinnen und Bürger. Dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, ist Aufgabe der Politik. Das muss dringend wieder in den Fokus geraten, anstatt endlose ideologische Debatten zu führen, die nur dazu dienen, am Ende Recht zu behalten und damit die eigene Meinung zu bestätigen. Der Kompromiss hat noch nie geschmeckt. Das ist auch nicht seine Aufgabe. Er muss satt machen. Eine gewisse Portion Pragmatismus ist deshalb das, was es in Zukunft braucht.
Mich selbst hat in diesem Jahr besonders gefreut, dass wir 30 Jahre Altmarkkreis auf Gut Zichtau feiern konnten und dass sich unser Ministerpräsident so viel Zeit genommen hat, diese Feier mit seinen wertschätzenden Worten und seiner Anwesenheit aufzuwerten. Auch sonst war die Landespolitik 2024 oft in der Altmark und beteiligte sich am konstruktiven Austausch. Exemplarisch möchte ich dabei die Teilnahme der Ministerin Dr. Lydia Hüskens am 2. Wirtschaftsforum Altmark der IHK erwähnen. Mir ist die Kooperation mit den Kammern bei uns sehr wichtig und wir haben zusammen einiges angeschoben und bewegt. Unsere Wirtschaft braucht gerade angesichts der großen Veränderungen in der Welt verlässliche Rahmenbedingungen. Wo wir dazu beitragen können, wollen wir das natürlich auch tun.
Unsere Altmark ist ein liebens- und lebenswerter Raum und soll das auch bleiben. Zum Lieben und Leben gehört nicht für alle Bürgerinnen und Bürger das Gleiche. Die einen wünschen sich den Erhalt unserer Natur als Lebensgrundlage, wie sie wohl so üppig woanders kaum noch zu finden ist. Andere fragen zu Recht, welche wirtschaftliche Zukunft sie bei uns haben und ob sich das Bleiben überhaupt lohnt. Auch wenn ich selbst der Meinung bin, dass es sehr viele gute Gründe dafür gibt, hier bei uns zu leben und sich zu entfalten, kann ich ebenso diejenigen verstehen, die kritisch sind. Auch hier ist der Kompromiss das Mittel der Wahl, um Meinungen zueinander zu bringen. Wir sind ein ländlicher und landwirtschaftlich geprägter Raum und haben unsere ganz eigenen Stärken. Jeder Versuch, sich mit Ballungsräumen zu vergleichen, führt unweigerlich in die Unzufriedenheit. Dabei gibt es gerade für den Mittelstand in einer Region wie der unseren deutliche Vorteile. Große Krisen gehen an uns nämlich mit deutlich geringeren Schäden vorbei als an Ballungsräumen.
Ein kontrovers diskutiertes Thema bei uns ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Darum war ich am 27.11.2024 sehr froh, dass unser neues Konzept bezüglich der Frage, wie es mit der Windkraft bei uns weitergehen soll, gut angekommen ist und von der Regionalversammlung zum Entwurf in Auftrag gegeben wurde. Immerhin bedeutet es, dass wir im Gegensatz zu anderen Regionen und dem ursprünglichen Plan keine neuen Suchräume ausgewiesen haben. Damit sind neue kleine Windparks verteilt in der Region vom Tisch. Das bedeutet aber auch, dass Gemeinden weiterhin selbst und im Einvernehmen mit den Vertretungen ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Planung von Solar- oder Windparks gehen können. Somit findet also keine Planung über die gemeindlichen Vertretungen hinweg statt. Dieses Konzept könnte Schule machen. Wir bringen damit Energieerzeugung und -verbrauch zusammen, vergrößern bestehende Parks moderat und nutzen die Potenziale von Repowering und einvernehmlich entstandener Konzepte der Gemeinden.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, ich wünsche Ihnen allen für die Weihnachtszeit ein paar besinnliche Tage und Stunden. Nutzen Sie die Zeit, sich in Gesprächen mit Ihren Mitmenschen zu üben. Diese Fähigkeit zu bewahren und zu entwickeln ist die Grundlage für ein gutes Zusammenleben. Denken Sie auch an Ihre Nachbarn und Freunde und vor allem an Menschen, die weniger haben als Sie. Suchen Sie auch hier das Gespräch. Vielleicht haben diese zwar weniger materielle Güter, sind aber reicher an viel wichtigeren Dingen im Leben. Weihnachten ist die Zeit, wo es zu einem Austausch dieser Güter kommen kann und wir etwas von dem erhalten, das andere im Überfluss haben – und umgekehrt.
Kommen Sie mit Ihren liebsten Menschen gut in das neue Jahr 2025, für das wohl ein ganz einfacher Wunsch angebracht ist: Frieden. Schon lange sehnten sich viele Menschen nicht mehr so sehr danach wie zurzeit. Also schließe ich mit diesem einfachen Wunsch: Friedliches und frohes Fest für Sie alle im Altmarkkreis Salzwedel.
Ihr Landrat
Steve Kanitz
>> Hier die Weihnachts- und Neujahrsbotschaft in PDF.